Zurück ins neue Jahr und ab in die Prärie!
Mit den Spielen an denen Alexander Pfister beteiligt ist habe ich eine love/hate Beziehung. Port Royal mit der 1. Erweiterung zählt auch heute noch zu einem meiner Lieblingsspiele. Misslungen waren dann Port Royal – Unterwegs (liegt aber eher an der Verpackung als am Spiel) und Port Royal – Das Abenteuer beginnt. Broom Service ist in unserer Runde ein Flop gewesen. Isle of Skye ist nicht ganz mein Genre aber gelungen. Mombasa spricht mich thematisch überhaupt nicht an. Wo fällt da Great Western Trail hinein?
Eckdaten
Autor: Alexander Pfister
Illustrationen: Andreas Resch
Verlag: eggertSpiele im Vertrieb von Pegasus (Verlagsseite)
Erscheinungsjahr: 2016
Spieleranzahl: 2 – 4
Dauer: 35 – 45 min pro Spieler
Schachtelgröße: 29,5cm x 29,5cm x 7cm
Preis: ca 40€
Ausstattung
Viel Pappe, Holz und Karten … Achja ein Wertungsblock ist auch dabei. Die Qualität ist ganz gut. Ein paar Münzen gingen ein wenig schwer aus dem Rahmen aber kein Drama.
Grafische Gestaltung
Der Spielplan und die Kuhkarten gefallen mir sehr gut. Aber die 3 Personen … ja die sehen ein wenig gelangweilt aus. Die hätten ruhig ein wenig enthusiastischer sein können. Die Ikonographie sieht anfangs zwar verwirrend aus, weil es viel auf einmal ist aber sie ist sehr klar verständlich.
Aufbau
Spielfeldgröße: 70cm x 70cm + 25cm x 33cm pro Spieler
Aufbauzeit: ungefähr 5:30min
Thema
Wir befinden uns in den USA und die Industralisierung lässt die Menschen in die Städte ziehen. Der Norden ist davon besonders betroffen. Aber man hat Probleme die Bevölkerung aus der lokalen Produktion mit Fleisch zu versorgen. Da kommen wir ins Spiel. Wir treiben Rinderherden entlang des Great Western Trails nach Kansas City. Von dort werden sie, optimalerweise in unserem Schienennetz, in das ganze Land verfrachtet.
Besonderheiten
Wie schon gesagt ist es das Ziel, Rinderherden nach Kansas City zu bringen und von dort per Zug zu verfrachten.
Unsere Rinder werden durch ein Kartendeck repräsentiert. Man zieht eine Hand voll und es kann losgehen.
Kommt man mit seiner Herde in Kansas City an so bekommt man für vielfältige Rinderherden Geld. Je wertvoller die Herde, desto weiter weg können wir sie verfrachten. Dabei können jedoch Transportkosten anfallen, wenn man das eigene Schienennetz nicht weit genug ausbaut.
Mit jedem Durchgang sammelt man quasi Erfahrung und schaltet dadurch neue Fähigkeiten frei.
Natürlich kann man nicht die ganze Strecke auf einmal bewältigen, sondern muss dazwischen immer wieder an Orten halt machen. Unsere Figur muss sich mindestens 1 Ort weiterbewegen (niemals zurück). Es können auch, je nach Reichweite, mehrere Orte passiert werden. Wichtig ist wo man landet. Landet man auf einem Gebäude, so darf man die Aktion verwenden, wenn es ein neutrales oder eigenes Gebäude ist. Bei Gebäuden der Mitspieler oder Hindernissen steht nur eine einfache Nebenaktion zur Verfügung.
Zieht man über Hindernisse oder Gebäude der Mitspieler, die mit einem Handsymbol ausgestattet sind, muss man Geld abdrücken.
Mit Hilfe der Gebäude, kann man Personal anheuern, Gebäude errichten, das Schienennetz ausbauen die Rinderherde umgestalten…und und und.
Man kann auch noch Personal einstellen um sich auf gewisse Bereiche zu spezialisieren.
Einstieg & Wiedereinstieg
Regelumfang: Die Anleitung ist recht umfangreich und auch mit vielen Beispielen versehen.
Einarbeitungszeit: Ich finde die 1. Partie sollte nicht in voller Besetzung sein oder man hat nichts gegen eine etwas längere Partie. Es ist viel zu Erklären. Man sollte sich auch die entsprechende Zeit nehmen und schauen, dass alle alles mitbekommen.
Was man zu Beginn sehr gerne übersieht sind die farblichen Kennzeichnungen. Spielermarker auf den dunklen Feldern darf man nur entfernen, wenn man entsprechend schwarz hinterlegte Ziele beliefert.
Wenn man Mal die Einzelteile verstanden hat, reicht die Ikonographie auf dem Spielplan und dem Tableau vollkommen aus.
Preis/Leistung
Also für ungefähr 40€ kann man sich echt nicht beschweren. Das Material hat gute Qualität. Das Spiel bietet genug Tiefe und Wiederspielbarkeit für viele Partien. Ich habs jetzt 11 Mal gespielt und möchte noch immer dieses und jenes ausprobieren. Man 2 unterschiedliche Sätze von Gebäuden und auch die neutralen Gebäude auf dem Spielplan kann man zufällig anordnen, was einen zum Umdenken zwingt.
Meiner Meinung nach ist das Spiel auch gut für Mini Erweiterungen geeignet. Ein paar neue Gebäude, mehr Aufträge, andere Rinder. Das alles würde sich superschnell integrieren lassen.
Meine Meinung
Beginnen wir mit dem Negativen… Das ist rein subjektiv aber ich muss es erwähnen. Es dauert doch recht lange und ist komplex. Nicht dass es einem beim Spielen lange vorkommt. Die Zeit verfliegt aber wenn ihr nur 4 Stunden Zeit habt und 4 Leute seid geht sich von dem Spiel keine 2. Partie mehr aus, wenn man denn 3 andere Leute hat die so umfangreiche Spiele mögen und gut spielen können. Ich selbst mag das Spiel sehr (Spoileralarm) aber in meiner Stammgruppe ist nur eine anderer der damit gut zurecht kommt. Den anderen ist es meistens zu … viel.
Neutrale Punkte. Ein paar Spielern (inklusive mir) ist es wann so gegangen, dass man durch Kartenpech, nicht die Karten zieht die man braucht. Ist es wirklich Fortunas Schuld? Jein. Sie können schon in einer blöden Reihenfolge kommen, die so gar nicht passt aber es gibt auch genug Möglichkeiten hier zu optimieren. Es kann halt sein, dass man dafür auf andere Aktionen verzichten bzw. einen weiteren Stopp einlegen muss.
Noch ein neutraler Punkt. Ich finde es schade, dass auf der Rückseite des Spielplans nur nochmal das Cover drauf ist. Ich weiß, es war sicher eine Wahnsinnsarbeit den aktuellen Plan so auszubalancieren wie er ist aber ein weiterer Plan auf der Rückseite wäre echt der Hammer gewesen.
Letzter neutraler Punkt. Mich stört es irgendwie, dass nach San Francisco zwar noch Bahnhöfe ausgebaut werden können aber sie keine Namen besitzen. Das ist schon seltsam.
Was gefällt mir gut? Eigentlich der ganze Rest.
Was macht es alles richtig? Ich finde das Thema gut. Rinderherden verfrachten und Eisenbahnnetze ausbauen sind Dinge die man mit dieser Ära verbindet. Sogar in Western sind das beliebte Themen. Zwar sind wir hier Firmenbesitzer oder so ähnlich aber das was wir tun, passt schon so.
Ich mag die Interaktion. Grade bei den komplexeren Spielen ist es oft so, dass man sich eher nur für sein eigenes Zeug interessiert und das was die anderen tun nur aus den Augenwinkeln betrachtet. Oder es ist so, dass man zu sehr auf die anderen Acht geben muss, weil einem die Mitspieler sonst permanent reingrätschen. Great Western Trail liegt schön in der Mitte.
Die Augen ruhen fast immer auf dem Spielbrett und fast alles was die anderen machen hat Einfluss auf das Spielbrett. Da steht auf einmal ein Gebäude, wo man etwas Geld verliert oder aber bestimmte Rinder bzw. Personen gibt es nicht mehr zu kaufen. Das alles verändert die Variablen des Spiels ein wenig und man ärgert sich etwas, weil man jetzt 2 Geld zu wenig hat um xy zu machen. Aber es ist nichts dabei wo du denkst. Mist. Das was ich die letzten 3 Züge gemacht hab, war nutzlos. Dieses frustrierende Gefühl bleibt aus. Ja man ärgert sich aber wenn man ein wenig umplant, findet man sicher etwas, dass auch eine gute Option ist.
Ich maße mir nicht an etwas über die Balance zu sagen aber für mein Empfinden gibt es fast nichts was von Haus aus Pflichtaufgaben sind, um zu gewinnen. Ein paar bessere Rinder braucht man aber ich habe das Gefühl, das wars dann auch. Ob man jetzt extreme Strategien erfolgreich fahren kann, hängt aber auch von den Mitspielern und der Auslage ab.
Apropos Auslage. Mir gefällt auch, dass ich nicht von Anfang an sagen kann: Jetzt probier ich Strategie XYZ. Ich muss mich schon auch danach richten was da kommt. Da kann ich mir noch so vornehmen, die komplette Strecke bis ans Ende auszubauen. Wenn nur wenige Ingeneure aus dem Sack kommen, wird das schwer werden. So bleibt es dynamisch.
Trotz der strategischen Vielfalt wird das Spiel niemals eine trockene Effizienzrechnung. 2 Stunden lang … ich tausche 2x gegen3 y um 3y und z gegen a zu tauschen um 2a und 3x für 2c zu tauschen … Hallelujah … nein auf das hätte ich keine Lust … Es ist natürlich wichtig an die Effizienz zu denken aber ich fühle nicht, dass ich permament nur am herum rechnen bin. Es überwiegen emotionale Eindrücke. Da wollen Mal die hochwertigen Rinder einfach nicht aus dem Deck auftauchen oder ein Pfad wird auf einmal frei, weil Markus den Schutt weggeräumt hat … Danke nochmal … oder ein Mitspieler freut sich weil er von mir Geld bekommt, weil ich unbedingt an seinem Saloon vorbei muss.
Den Aspekt des Wettrennens darf man auch nicht vergessen. Ja natürlich kann man oft anhalten und immer wieder nachjustieren, bis man sich die perfekte Rinderherde gebastelt oder genug Geld für ein Riesengebäude hat. Wenn die Mitspieler derweil aber schneller durch den Trail rennen und immer wieder Personen kaufen, ist das Ende schneller da als man haben will.
Kurz zu den Spielerzahlen. Es hat mir in jeder Besetzung gut gefallen. Es spielt sich aber anders. Zu viert kann man bei der Personalauswahl und am Viehmarkt leichter aus den Vollen schöpfen, da hier mehr ins Spiel kommt. Natürlich muss man rechtzeitig da sein. Dafür herrscht bei den Bauplätzen eine größere Konkurrenz. Zu zweit stehen nicht so viele Gebäude am Trail aber die Strafgebühren sind höher.
Kurz zur Komplexität. Great Western Trail ist hier am oberen Ende meiner Sammlung. Es ist schon ein Schwergewicht. Zuerst muss man alle System verstanden haben und sich auch eine halbwegse Strategie zurechtlegen. Die taktischen Entscheidungen während des Zuges gehen eigentlich flott. Da gibt es ca 6 Orte wo man hingehen kann. Einige kann man gleich ausschließen und die anderen, überschaubaren Optionen gilt es abzuwiegen.
Mir gefällt auch wie die einzelnen Planungsabschnitte visuell dargestellt werden. Da hat man die taktischen Entscheidungen, die man in diesem Zug trifft. Kurzfristige Ziele – die nächsten Züge. Mittelfristige Ziele – die aktuelle Lieferung. Langfristige Ziele – Strategie über mehrere Lieferungen. Ich sehe vieles auf dem Plan. Wenn ich hierhin gehe , wo komme ich im nächsten Zug hin? Und im nächsten? Wie schaffe ich es nach San Francisco zu kommen?
Zwei Herzen schlagen in meiner Brust. Das eine mag das Spiel sehr und was für tolle Strategien man ausprobieren kann und ob es besser ist sich zuerst dieses oder jene Upgrade zu holen. Das andere sagt: Tolle Ideen die du hast… und mit wem wirst du das ausprobieren? Vielleicht such ich mir noch Mitspieler für komplexere Titel aber bis dahin halten wir es Mal bei einem Gut+, was wirklich nicht zu verachten ist 🙂
Empfehlung
Freunde von komplexer Kost, die sich nicht an etwas Kartenziehglück stören und nichts gegen die Thematik einzuwenden haben, sollten es sich anschauen.
Rezensionsupdate (03/2019): Bekommt eine kleine Abwertung auf ein Gut. Das liegt nicht daran, dass mir das Spiel nicht gefällt. Ich find’s immer noch sehr gelungen aber ich bekomme es fast nie auf den Tisch. Es hat bei den Mitspielern nie wirklich gepasst oder es waren andere Spiele da die nicht so komplex und etwas kürzer sind. Sowas in der Art. Trotzdem immer noch ein gutes Spiel.